Vergaberecht

Vergaberecht

Der öffentliche Auftraggeber und seine ausgegliederten Gesellschaften
– Flucht ins Privatrecht?

Den Vergabevorschriften des Bundesvergabegesetzes (im klassischen Bereich) unterliegenden ausschließlich österreichische „öffentliche Auftraggeber“. Öffentliche Auftraggeber sind „der Staat, die Gebietskörperschaften, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts und die Verbände, die aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder Einrichtungen des öffentlichen Rechts bestehen“. Lassen sich die Begriffe „Staat“, „Gebietskörperschaften“ und „Verbände“ ohne allzu große Schwierigkeiten verstehen, ist der Begriff der „Einrichtung des öffentlichen Rechts“ nicht ohne weiteres zu erfassen. Nach den einschlägigen europäischen Richtlinien und der dazu entwickelten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gilt jede „Einrichtung des öffentlichen Rechts“ als „öffentlicher Auftraggeber“, wenn sie zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen, Rechtspersönlichkeit besitzt und überwiegend vom Staat, von den Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanziert wird oder hinsichtlich ihrer Leitung deren Aufsicht unterliegt oder deren Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgane mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die vom Staat, von den Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts ernannt worden sind.

Der Begriff der „Einrichtung des öffentlichen Rechts“ ist funktionell und weit auszulegen. Deshalb können auch Private diesen vergaberechtlichen Begriff unterfallen, wenn sie staatliche Aufgaben wahrnehmen. Der Staat kann sich daher dem Vergaberecht nicht durch die Verwendung einer privaten Rechtsform entziehen („keine Flucht ins Privatrecht“). Es müssen jedoch die vorgenannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen, um eine Einrichtung als öffentliche Auftraggeber zu klassifizieren.

„Im Allgemeininteresse liegende Aufgaben“ entsprechen den in Österreich bekannten Begriffen „öffentliches Interesse“ bzw. „Gemeinwohl“. Der gemeinwohlbezogene Tätigkeitsbereich muss jedoch nicht überwiegen. Selbst wenn die Erfüllung von im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben tatsächlich nur einen relativ geringen Teil der Tätigkeiten des Auftraggebers ausmachen, genügt dies, um ihn als „öffentlichen Auftraggeber“ zu qualifizieren, solange er weiterhin diese Aufgaben wahrnimmt, die er als besondere Pflichten zu erfüllen hat.

Das Abgrenzungskriterium „Tätigkeiten nicht gewerblicher Art“ erfordert eine Untersuchung der Wettbewerbssituation im relevanten Markt. Der Europäische Gerichtshof hat im Hinblick auf die Frage der Wettbewerbssituation klargestellt, dass einer Einrichtung nicht bereits deshalb zwingend ihre Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber abgesprochen werden kann, weil sie in einem Markt tätig ist, auf dem sie in Konkurrenz zu anderen – vor allem privaten Anbietern – steht. Der Gerichtshof stellt bei Prüfung dieser Frage vielmehr auf das Vorliegen eines „entwickelten Wettbewerbes“ ab.

Als letzte Voraussetzung muss eine „Einrichtung des öffentlichen Rechts“ vom Staat finanziert oder kontrolliert werden, damit wiederum die enge Verbindung zum Staat unterstrichen wird. Eine überwiegende Finanzierung ist bei einer Gewährung von mehr als 50 % der Finanzmittel anzusehen. Zu beachten ist allerdings, dass Mittel, denen eine Gegenleistung gegenübersteht nicht mitzählen. Eine Aufsicht über die Leitung der „Einrichtung des öffentlichen Rechts“ übt eine Stelle aus, wenn sie beständig und umfassend eine Einflussmöglichkeit auf die Geschäftstätigkeit hat. So wurde eine Liftbetriebsgesellschaft als öffentliche Auftraggeberin qualifiziert, weil sie aufgrund der von der Gemeinde abgegebenen Zusicherungen (Betriebsgarantie sowie Zusage „die Gesellschaft schuldenfrei zu führen und diese Verpflichtung durch geeignete Sicherungsmittel abzusichern“) das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit nicht selbst getragen habe, und deshalb der Tätigkeit die Gewerblichkeit fehle. Auch Tourismusverbände wurden ebenso wie freiwillige Feuerwehren oder ein internationales Studentenhaus als öffentliche Auftraggeber behandelt.