Der Irrtum ist in der Baubranche ein wichtiges Instrument, mit dessen Hilfe ein bereits abgeschlossener Vertrag aufgehoben bzw. angepasst werden kann.
Gerade in der Baubranche hat man im Baualltag häufig mit dem Begriff „Irrtum“ zu kämpfen. Ein diesbezüglich häufig anzutreffender Sachverhalt ist, dass ein Vertrag über die Errichtung eines Bauwerkes abgeschlossen wird, das anschließend nicht errichtet werden kann bzw. die Errichtung nicht sinnvoll ist.
Dieses Paradebeispiel ist in der Baubranche die Regel und wird dann meist über die Höhe der zusätzlichen Kosten gestritten, ohne, dass man das Instrument des Irrtums und die sich daraus ergebende Vertragsanpassung bzw. Vertragsaufhebung in Erwägung zieht.
In den meisten Fällen wurden bereits Leistungen erbracht und sind im Falle einer gänzlichen Vertragsaufhebung die bereits erbrachten Leistungen rückabzuwickeln. Gerade in der Baubranche erweisen sich solche Rückabwicklungen allerdings als sehr schwierig.
Grundsätzlich können Verträge zur Gänze aufgehoben oder zumindest angepasst werden, wenn der Vertrag ohne Irrtum gar nicht zustande gekommen wäre oder nur mit einem anderen Inhalt. Im ersten Fall handelt es sich um einen wesentlichen Irrtum, der zur Vertragsanfechtung berechtigt, im Gegensatz zum unwesentlichen Irrtum.
Relevant für eine Vertragsanfechtung ist weiters das Vorliegen eines Erklärungs- oder Geschäftsirrtums. Ein Erklärungsirrtum liegt vor, wenn der Erklärende etwas anderes zu erklären glaubt, als er tatsächlich erklärt hat (indem er sich beispielsweise verspricht oder verschreibt). Von einem Geschäftsirrtum spricht man, wenn über den Inhalt des Rechtsgeschäftes oder den Geschäftspartner geirrt wird. Neben den beiden vorgenannten wesentlichen Irrtümern gibt es auch den unwesentlichen Irrtum, den sogenannten Motivirrtum. Ein Motivirrtum liegt vor, wenn der Irrende über den Beweggrund irrt, also beispielsweise jemand erwirbt einen Bagger für den Aushub einer Baugrube und stellt sich nach Vertragsabschluss heraus, dass auf diesem Grundstück nicht gebaut werden darf.
Als weitere Voraussetzung ist erforderlich, dass der Irrtum vom Vertragspartner verursacht worden ist bzw. der Irrtum dem Vertragspartner auffallen musste oder der Irrtum rechtzeitig aufgeklärt wurde.
Ob dem Vertragspartner des Irrenden dessen Irrtum auffallen hätte müssen ist eine Einzelfallprüfung und wird beispielsweise von einem Sachverständigen eine größere Sorgfalt erwartet als von einem Laien.
Rechtzeitig aufgeklärt ist ein Irrtum dann, wenn diese Aufklärung noch vor einer Handlung, z.B. Abholung von Bauschutt, geschieht, sohin bevor diverse Handlungen oder Entscheidungen gesetzt werden.
Neben diesen Bedingungen darf die Irrtumsanfechtung vertraglich nicht ausgeschlossen worden sein und seit dem Vertragsabschluss nicht mehr als drei Jahre vergangen sein.
Vom Irrtum zu unterscheiden ist die Täuschung. Eine Täuschung liegt vor, wenn ein Irrtum bewusst hervorgerufen wird. In diesem Fall beträgt die Anfechtungsfrist 30 Jahre und sind in diesem Fall auch Motivirrtümer beachtlich.
Grundsätzlich ist bei Vorliegen des Irrtums der Vertrag durch die beiden Vertragsparteien aufzuheben oder anzupassen. Sofern hierbei keine gemeinsame, außergerichtliche Einigung erzielt werden kann, ist eine gerichtliche Anfechtung binnen der dreijährigen Frist bei Gericht einzubringen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass gerade in der Baubranche der Irrtum eine große Rolle spielt und, sofern es sich um einen wesentlichen Irrtum handelt, welcher zudem vom Vertragspartner verursacht worden ist bzw. der Irrtum dem Vertragspartner auffallen musste oder der Irrtum rechtzeitig aufgeklärt wurde, eine Vertragsaufhebung bzw. Vertragsanpassung grundsätzlich möglich ist.