Gerade in der Baubranche ist es ein nur allzu gut bekanntes Phänomen, dass die tatsächlich zur Ausführung gelangten Gewerke nicht immer den vertraglich vereinbarten Vorstellungen des Werkbestellers – regelmäßig des Bauherren – entsprechen. Unabhängig vom Grad der Abweichung vom eigentlich gewollten Bauwerk spricht man juristisch von Leistungsmängeln, die entweder im Rahmen der Gewährleistung oder des Schadenersatzes vom Werkbesteller aufgegriffen werden können. Gerade diese Geltendmachung stellt sich jedoch oft als langwierig und kostspielig dar. Aufgrund der Einbindung von meist zahlreichen Subunternehmern ist der Verantwortliche für einen Mangel häufig nicht ohne weiteres zu ermitteln. Die Notwendigkeit von Sachverständigengutachten bei einer gerichtlichen Verfolgung der Ansprüche sowie die oftmals hohen Streitwerte führen zu einem durchaus erheblichen Kostenrisiko.
Um Baumängeln samt ihrer unerfreulichen Folgen von Vornherein vorzubeugen, kommt der (örtlichen) Bauaufsicht eine entscheidende Bedeutung zu. Die Bauaufsicht ist für die Koordination und Steuerung der Baustelle zuständig. Sie vertritt die unmittelbaren Interessen des Bauherrn vor Ort und übt das Hausrecht auf der Baustelle aus. Sie hat zu überwachen, dass das Gewerk in Übereinstimmung mit den Plänen, in der vertraglich festgesetzten Zeit und Qualität sowie unter Einhaltung der geltenden Vorschriften hergestellt wird. Die örtliche Bauaufsicht nimmt laufend die Leistungen der ausführenden (Sub-)Unternehmer ab, stellt eventuelle Mängel fest und veranlasst deren Behebung. Sie ist dabei jedoch im Gegensatz zur Bauleitung ausschließlich für den Bauherren und nicht für die ausführenden Unternehmen tätig.
Wenn sich nun dennoch an einem hergestellten Gewerk Mängel offenbaren, stellt sich die Frage, ob und in welchem Ausmaß die Bauaufsicht hierfür zur Verantwortung gezogen werden kann, da sie ja gerade dafür beauftrag und bezahlt worden ist, solche Mängel schon in der Entstehung festzustellen und beseitigen zu lassen. Die rechtlich zu klärende Frage ist demnach Folgende: Haftet die Bauaufsicht für die Fehlleistung eines (Sub-)Unternehmers?
Wie beim Verhältnis zwischen dem Werkbesteller und dem Werkunternehmer schuldet auch die Bauaufsicht eine bestimmte vertragliche Leistung, wie sie eingangs beschrieben wurde. Um Gewährleistungsansprüche auszulösen – oder schadenersatzpflichtig zu werden – muss folglich auch die Leistung der Bauaufsicht selbst mangelhaft sein.
In Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre stellte hierzu auch der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung unmissverständlich klar, dass grundsätzlich jeder Werkunternehmer primär selbst für seine Fehlleistungen gegenüber dem Werkbesteller zu haften hat. Ein „pauschaler Haftungsübergang“ auf die Bauaufsicht ist bereits deshalb schon nicht denkbar, weil eine Erfolgshaftung für ein vertragswidriges oder schuldhaftes Verhalten Dritter ohne eine korrespondierende eigene Vertragspflicht in der österreichischen Rechtsordnung nicht vorgesehen ist.
Darüber hinaus soll die Bauaufsicht alleine die Interessen des Bauherren schützen. Aufgabe der Bauaufsicht ist nicht, die einzelnen Werkunternehmer gänzlich aus ihren vertraglichen Pflichten zum Schutz des Bauherren (insbesondere aus dem Gewährleistungsrecht) zu entlassen. Das bloße Vorhandensein einer Bauaufsicht führt nicht unmittelbar zu deren Haftung für Ausführungsmängel, weil alleine daraus noch auf keine Fehlleistung der Bauaufsicht geschlossen werden kann. Die Ausführungsgewerke sind schließlich keine von der Bauaufsicht geschuldeten vertraglichen Leistungen.
Vielmehr darf auch die Bauaufsicht darauf vertrauen, dass die ausführenden Unternehmer ihre Gewerke sach- und fachgerecht herstellen. Die Bauaufsicht hat gemessen am Sorgfaltsmaßstab der Sachverständigenhaftung die Erstellung der Gewerke zu überwachen und diese ebenso bei Fertigstellung abzunehmen. Sie hat jedoch nur dort einzuschreiten, wo für sie Mängel erkennbar werden. Wenn sich auch die Bauaufsicht im Hinblick auf die Erkennbarkeit eines Mangels einen strengeren Sorgfaltsmaßstab gefallen zu lassen hat, so ist sie doch nicht verpflichtet, jede auch nur denkbare Fehlerquelle von sich aus ohne Veranlassung zu erforschen.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass es vor allem im eigenen Interesse des Bauherren selbst gelegen ist, bei der Wahl des für die örtliche Bauaufsicht Zuständigen äußerst sorgfältig vorzugehen und seine (einzige) unmittelbare Interessensvertretung vor Ort mit Bedacht zu wählen. Zwar ist die Bauaufsicht dafür bestimmt, Ausführungsmängel durch die Werkunternehmer möglichst hintanzuhalten, sie ist aber nur dann für mangelhafte Gewerke verantwortlich, wenn erkennbare Mängel nicht wahrgenommen und beanstandet wurden.