Mit Erkenntnis vom 11.12.2008 zu G 85/08-8 hat der Verfassungsgerichtshof abermals Teile des Tiroler Grundverkehrsgesetzes als verfassungswidrig erkannt.
Unter unserem Titel „Bauerland in Europahand“ erschien in der econova-Sonderausgabe Jänner 2008 eine Darstellung der grundsätzlichen Problematik der Bestimmungen über den sogenannten „grünen Grundverkehr“ des Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 – TGVG 1996, LGBl. Nr. 61 in der Fassung LGBl. Nr. 85/2005, reflektierend auf die in diesem Zusammenhang ergangene Judikatur des Europäischen Gerichtshofes zur Kapitalverkehrsfreiheit.
Zusammenfassend wurde dort auf das, ausgehend von der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache „Ospelt“, bestehende Spannungsverhältnis zwischen Sachverhalte mit europäischen Gemeinschaftsbezug („Deutscher erwirbt Bauerhof“) zu Sachverhalten ohne europäischen Gemeinschaftsbezug („Österreicher erwirbt Bauernhof“) eingegangen bzw. auf etwaige Lösungen hingewiesen.
Verstößt nämlich eine nationale Bestimmung gegen Gemeinschaftsrecht (wie im Fall „Ospelt“ dies bei den Bestimmungen des Vorarlberger Grundverkehrsgesetzes zur Selbstbewirtschaftungspflicht der Fall war), so wird diese Bestimmung, aufgrund des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechtes, in Fällen mit Gemeinschaftsbezug verdrängt. In Fällen ohne Gemeinschaftsbezug ist hingegen die nationale Norm in ihrer Gesamtheit anzuwenden. Dies kann eine Schlechterstellung österreichischer Staatsbürger gegenüber EU-Ausländern zur Folge haben (so genannte „Inländerdiskriminierung“).
Dieses Spannungsverhältnis wurde nunmehr vom Österreichischen Verfassungsgerichtshof aufgegriffen und im Rahmen eines gem. Art. 140 Abs. 1 B–VG (Bundes-Verfassungsgesetz 1929) von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren mit Erkenntnis vom 11.12.2008 zu G 85/08-8 insofern gelöst, als Teile des Tiroler Grundverkehrsgesetzes (TGVG 1996 idF LGBl. 85/2005) als verfassungswidrig erklärt und aufgehoben wurden. Der Tiroler Landesgesetzgeber ist nunmehr bis 30.09.2009 verhalten, eine verfassungskonforme Regelung zu erlassen.
Konkret wurden die Bestimmungen des § 6 Abs. 1 lit. b und c, die Abs. 2 und 3 sowie Teile des Abs. 7 TGVG idF LGBl. 85/2005 über die Pflicht des Erwerbers zur Selbstbewirtschaftungspflicht als Voraussetzung für die Erteilung der Bewilligung für den Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Flächen als verfassungswidrig erkannt.
In seiner Begründung folgte der Verfassungsgerichtshof zunächst der Argumentation des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache Ospelt (EuGH 29.09.2003, Rs. C-452/01), wonach zur Erreichung der durchaus legitimen Ziele des (Vorarlberger) Grundverkehrsgesetzes (Wahrung des öffentlichen Interesses, Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Bauerstandes etc.) die restriktive Voraussetzung der Selbstbewirtschaftung nicht notwendig erscheint: „Das Erfordernis der Selbstbewirtschaftung stehe nämlich auch einer Veräußerung von Grundstücken entgegen, wenn das Grundstück zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht vom Eigentümer, sondern von einem Landwirt als Pächter bewirtschaftet wird“, so der Verfassungsgerichtshof.
Wird die Bewirtschaftung durch den Erwerber selbst nun aber zwingend als Voraussetzung für den Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Flächen gesetzlich vorgeschrieben, so hat eine derartige Maßnahme zur Folge, dass die Pachtmöglichkeiten für Landwirte, die nicht über entsprechende Mittel zum Erwerb von Liegenschaften verfügen, unverhältnismäßig eingeschränkt werden. Insofern ist die zwingend vorgeschriebene Selbstbewirtschaftung durch den Erwerber selbst für die Förderung, Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes sogar hinderlich.
Da § 6 TGVG 1996 in der Fassung LGBl. 85/2005 zur Konsequenz hat, dass bei Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken mit rein innerstaatlichen Sachverhalten die grundverkehrsbehördliche Bewilligung zu versagen ist, war dieser als Folge des eingangs erwähnten Verbotes der „Inländerdiskriminierung“ teilweise als verfassungswidrig aufzuheben.
Die dichte und unmittelbare Durchdringung der nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union durch supranationales Gemeinschaftsrecht hat auch am Beispiel des Tiroler Grundverkehrgesetzes 1996 erneut gezeigt, dass Sachverhalte auch ohne unmittelbaren gemeinschaftsrechtlichen Bezug im Recht der Europäischen Union gelegene Rechtsfolgen auszulösen vermögen. Insofern hat mit der (teilweisen) Aufhebung des § 6 TGVG 1996 durch den Österreichischen Verfassungsgerichtshof der Grundsatz „Bauernland in Europahand“ auch in Tirol stärkere Gültigkeit als je zuvor.