Projektentwicklungsland Tirol

Projektentwicklungsland Tirol

Econova:
Herr Dr. Schöpf, als anerkannte Fachkanzlei für Immobilien- und Baurecht sind Sie laufend mit dem Thema Gewerbeansiedlung und Wohnbauentwicklung befasst. Ist aus Ihrer Sicht der Standort Tirol für Bauträger und Projektentwickler interessant?
RA Dr. Schöpf:
Aufgrund des naturgegebenen begrenzten Raumangebots ist Tirol sowohl für den Landesgesetzgeber als öffentlicher Raumplaner, als auch für den privaten Projektentwickler eine Herausforderung. In eben diesem Spannungsverhältnis der Interessen, ist es die Kunst, die goldene Mitte zu finden. Ein gutes Immobilienprojekt zeichnet sich dadurch aus, dass es seine Position auf dem Markt nicht nur nach objektiven Kriterien, wie Preis, Qualität und Lage, sondern auch nach subjektiven Kriterien einer individuell angesprochenen Zielgruppe sucht. Heute ist Wohnen ein bedeutender Faktor der Lebensverwirklichung; die Wohnung spiegelt den Lebensstil und die Lebenshaltung des Bewohners wieder; der Wunsch nach dem „schönen Wohnen“ bestimmt mehr denn je die Lebensplanung. Wohnungstypologie, Wohnungsgrößen, architektonische Gestaltung und Formgebung sowie Farbwahl und Auswahl der Allgemeineinrichtungen sind Elemente dieser Ausrichtung. Stärker als beim Wohnbau spielen im Wirtschaftsbau naturgemäß nüchterne und rationale Argumente eine wesentliche Rolle. Die emotionale Komponente, nämlich Prestige, Ausstrahlung des Gebäudes, udgl, ist zwar auch im Wirtschaftsbau von zunehmender Bedeutung, wird aber rational uminterpretiert: Signifikanz, Werbeeffekt und Wahrnehmbarkeit sind die nüchternen Umformungen dieser Gesichtspunkte.

Econova:
Gibt es in Tirol noch ausreichend Platz für eine vernünftige Projektentwicklung oder ist Tirol schon ausgebaut im Sinne des Wortes?
RA Dr. Schöpf:
Die klassische Aussage vieler Immobilienfachleute, dass bei Immobilien nur drei Faktoren maßgeblich sind, nämlich Lage, Lage, Lage, ist zwar nach wie vor grundsätzlich richtig, jedoch zu relativieren. Lagefaktoren sind zumindest in Stadtteilen und Gebieten, die sich in einem Entwicklungsprozess befinden, als mittelfristig temporär und veränderbar anzusehen. Lage kann, insbesondere bei größeren Projekten, durchaus bis zu einem gewissen Grad „gemacht“ werden. Das architektonische Konzept, ein sorgfältig gestaltetes Freiflächenprogramm, integrierte Infrastruktur, wie Geschäfte oder Freizeiteinrichtungen, und geschickt gestaltete Einbindung in die Umgebung, können einem Projekt einen eigenständigen Wert und eine besondere Akzeptanz geben und es sozusagen zu einer Insel einer bestimmten Qualität machen. Feinfühlige Architektur und stimmiges Baukonzept können daher objektive Lagenachteile durchaus überspielen oder sogar zum Positiven umdrehen. Das beschränkte Platzangebot spiegelt sich im Tiroler Raumordnungsprogramm wieder. Der Landesgesetzgeber ist offenkundig bemüht, die noch vorhandenen Baulandreserven vernünftig im Sinne eines generationenübergreifenden Gesamtkonzeptes zu entwickeln.
Econova:
Sind die rechtlichen Rahmenbedingungen in Tirol ein Anreiz oder eher eine Abschreckung für einen Projektentwickler?
RA Dr. Schöpf:
Hier ist grundsätzlich zwischen Wohnbaukonzepten und Wirtschaftsbauten zu unterscheiden. Die gesetzliche Lage für die Entwicklung von Wirtschaftsbauten ist meiner Meinung nach sehr problematisch. Ein spezielles Problem in Tirol ist, dass der Landesgesetzgeber in der wohl gemeinten Absicht, die traditionelle dörfliche Kleinstruktur mit Handelsbetrieben erhalten zu müssen, die Ansiedlung von Handels- und Gewerbezentren nur noch in Ballungszentren, den sogenannten Kernzonen, zulässt. Der vom Landesgesetzgeber vorgegebene, nicht überschreitbare Schwellenwert von 600 m² Kundenfläche schließt nahezu flächendeckend in ganz Tirol eine Ansiedlung von Einkaufs- und Fachmarktzentren im ländlichen Bereich aus. Das Dilemma ist nunmehr, dass die im ländlichen Bereich vorhandenen Wirtschaftsbauten, den zwingenden Bedürfnissen des Handels, insbesondere im Hinblick auf die geforderten Kundenflächen und die Sortimentsvielfalt, nicht erfüllen können. Das heißt, zum einen siedelt sich der Handel heute nicht mehr in den bestehenden – und aufgrund des strengen derzeit geltenden Raumordnungsregimes nicht erweiterbaren – Dorfzentren an und andererseits fordert der Dorfbewohner als aufgeklärter Konsument auch für sich ein ausgewogenes Warensortiment und eine ansprechende Infrastruktur. Letztendlich kann dies zur Verödung bisheriger Dorfzentren führen. Zur Reaktivierung der Dorfzentren als Mittelpunkt des Handels wird es unabdingbar sein, dass der Landesgesetzgeber das meines Erachtens derzeit undifferenziert strikte Raumordnungsregime öffnet, sodass die Gemeinden und der Handel wieder gemeinsame Wege finden können, um die Attraktivität der Dorfzentren zu erhöhen.

Econova:
Das Land Tirol wirbt mit einer Wohnraumoffensive, sind die rechtlichen Rahmenbedingungen hierfür gegeben?
RA Dr. Schöpf:
Der Wohnbau ist in Tirol traditionell eine Domäne der Gemeinden und im Speziellen der Bürgermeister als Baubehörde I. Instanz. Die vom Landesgesetzgeber vorgegebenen Rahmenbedingungen sind meines Erachtens als ausgewogen zu beurteilen und ist insbesondere die Initiative der Tiroler Wohnbauförderung als Impuls für die Bauwirtschaft im Besonderen erwähnenswert. In den überwiegenden Fällen erfolgt die Entwicklung einer Wohnanlage in enger Kooperation des Bauträges mit der Gemeinde. Die frühzeitige Einbindung des örtlichen Raumplaners und des örtlichen Bauausschusses ist unabdingbar für eine effiziente positive Abwicklung eines Wohnprojektes. Im Hinblick auf die beschränkten Baulandreserven ist der professionelle Bauträger heute wohl der wichtigste Partner der Gemeinde für eine effiziente und nachhaltige Siedlungsentwicklung. Bei allem Positiven möchte ich jedoch nicht unerwähnt lassen, dass die in manchen Gemeinden eingezogene Praxis, die Genehmigung von Wohnprojekten an strenge ortsspezifische Auflagen zu knüpfen, in den überwiegenden Fällen sittenwidrige Knebelungsverträge darstellen und wäre hier eine Klarstellung des Landesgesetzgebers wünschenswert.

Econova:
Herr Dr. Schöpf, ist der berühmtberüchtigte „Grundverkehr“ in Tirol noch zeitgemäß?
RA Dr. Schöpf:
Die Intentionen des Landesgesetzgebers, Grund und Boden in Tirol vor dem Ausverkauf an ausländische Gäste zum reinen Freizeitvergnügen zu schützen, sind grundsätzlich beachtenswert. Der Tiroler Landesgesetzgeber wird jedoch akzeptieren müssen, dass seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union die europarechtlichen Grundsätze der Kapital- und Niederlassungsfreiheit in ihrem ganzen Ausmaß zu beachten sind. Das derzeit bestehende Freizeitwohnsitzregime ist meines Erachtens als europarechtswidrig zu qualifizieren und es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Europäische Gerichtshof dem Land Tirol die nächste Korrektur des Tiroler Grundverkehrsgesetzes vorschreibt.
Nicht einsichtig ist in etwa auch die Bedingung des Landesgesetzgebers, dass bei Ferienwohnungen der Vermieter im betreffenden Gebäude seinen Hauptwohnsitz haben muss. Oft genug erwerben Personen oder Gesellschaften Mietzinshäuser in Tourismusgegenden, die sich optimal für die Nutzung als Ferienwohnungen eignen, wobei dies keine Domäne von ausländischen Investoren ist, sondern überwiegend einheimische Käufer oder Erben betrifft. Ferienwohnungen, die nie einem ganzjährigen Wohnbedürfnis dienen, sondern ausschließlich Ferienzwecken, nur dann als legal zu betrachten, wenn der Vermieter seinen Hauptwohnsitz im Hause hat, ist meines Erachtens eine unsachliche Differenzierung und stellt einen ungerechtfertigten Eingriff in das Eigentumsrecht dar und widerspricht zudem dem Grundrecht auf freie Wahl des Wohnsitzes.

Econova:
Herr Dr. Schöpf, danke für das Gespräch.