Vier-Augen-Prinzip und Prokura in der GmbH

Vier-Augen-Prinzip und Prokura in der GmbH

Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft durch Bestellung von Prokuristen?

Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung benötigt als juristische Person Organe, um überhaupt handlungsfähig zu sein. Die Vertretung und die gesamte Geschäftsführung einer GmbH obliegen dabei grundsätzlich dem bzw. den Geschäftsführern. Diese umfassende Befugnis zur Geschäftsführung kann jedoch bereits im Zuge der Gründung durch den Gesellschaftsvertrag selbst oder durch Weisungen der Gesellschafter eingeschränkt werden. Die Geschäftsführer können dadurch z.B. verpflichtet werden, für bestimmte Geschäfte oder bei Geschäften mit einer gewissen Tragweite, einen Gesellschafterbeschluss einzuholen. Derartige Beschränkungen wirken allerdings lediglich im Innenverhältnis der Gesellschaft. Sie begründen somit eine Verantwortlichkeit der Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft, die für die Vertretungsmacht gegenüber Dritten grundsätzlich unerheblich ist. In solchen Fällen kann die Geschäftsführung mehr als sie darf.

Eine regelmäßig von Unternehmensführungen geforderte Maßnahme zur laufenden Kontrolle der Geschäftsführung und zum Schutz der Gesellschaft vor möglichen Überschreitungen einer internen Vertretungsbefugnis ist die Umsetzung eines „Vier-Augen-Prinzips“. Im Wesentlichen verfolgt diese das Ziel, die Vertretungsbefugnis eines Geschäftsführers auch im Außenverhältnis wirksam dadurch zu beschränken, dass dieser lediglich gemeinsam mit einem oder mehreren weiteren Vertretern für die Gesellschaft handeln kann. Eine äußerst häufige Variante stellt dabei die Gesamtgeschäftsführung dar, bei der zumindest zwei Geschäftsführer bestellt sind und nur im gemeinsamen Zusammenwirken Vertretungshandlungen setzen können. Bei der Ausgestaltung bestehen von einem Einstimmigkeitserfordernis für sämtliche Agenden bis hin zu Resortsystemen, bei denen je nach Geschäftskreis die Vertretungsbefugnis variiert, große Gestaltungsspielräume.

Zusätzlich erweitert werden die möglichen Vertretungsoptionen durch die Bestellung von Prokuristen. Die Prokura ist eine besondere, unternehmensrechtliche Vollmacht, die neben einzelnen gesetzlichen Beschränkungen (z.B. Rechtshandlungen, die der Unternehmer selbst zu setzen hat oder die die Grundlage des Unternehmens betreffen) ebenso wie die Befugnisse von Geschäftsführern nur im Innenverhältnis und nicht gegenüber Dritten beschränkt werden kann. Die Erteilung der Prokura kann formlos – also auch mündlich – durch sämtliche Geschäftsführer auf Grundlage eines Gesellschafterbeschlusses erfolgen. Sie ist zwar im Firmenbuch anzumelden, für die Wirksamkeit der Erteilung ist die Eintragung im Firmenbuch jedoch unerheblich.

Da Prokuristen somit bezüglich sämtlicher Rechtshandlungen, die der Betrieb des Unternehmens mit sich bringt, unbeschränkte Vertretungsmacht besitzen, besteht ein gleichartiges Kontrollbedürfnis wie bei der Geschäftsführung. Die diversen Ausformungen der Gesamtprokura decken sich im Wesentlichen mit denen der Gesamtgeschäftsführung und sind auch hier Kombinationen von einzel- und gesamtvertretungsbefugten Prokuristen möglich und nicht unüblich. Aus praktischer Sicht darf hierbei trotz eines berechtigten Bedürfnisses nach Kontrolle nicht unbedacht bleiben, dass jede Form einer tiefergehenden Bindung der Geschäftsführer untereinander mit einer Erschwerung der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft verbunden sein kann, welche einem gebotenen, raschen Reagieren im Geschäftsverkehr unter Umständen nicht mehr gerecht werden kann.

Eine besondere Form stellt die sogenannte unechte oder gemischte Gesamtvertretung dar, bei der Prokuristen gemeinsam mit den Organen der Gesellschaft – in aller Regel mit den Geschäftsführern – vertretungsbefugt sind. Die Vertretungsmacht des „unechten Gesamtprokuristen“ orientiert sich dabei an der des Organs. Ihre Vertretungsmacht wird dadurch umfassender, als sie nach dem Gesetz vorgesehen wäre, da die an sich geltenden gesetzlichen Beschränkungen in Ausübung der Funktion des unechten Gesamtprokuristen nicht eintreten. Die Vertretung der Gesellschaft hat jedoch nach dem Gesetz durch die Organe zu erfolgen und Prokuristen sind keine Organe. Würde eine unechte Gesamtvertretung derart ausgestaltet, dass die Geschäftsführung nurmehr gemeinsam mit Prokuristen handeln könnte, wären die organschaftlichen Vertreter ohne Mitwirkung der Prokuristen nicht mehr handlungsfähig. Konstellationen, in denen Geschäftsführer nur gemeinsam mit Prokuristen vertreten können, können also nur unzulässig sein. In der Konsequenz ergibt sich daraus eine Beschränkung der Zulässigkeit der unechten Gesamtvertretung in der Form, dass die Möglichkeit der Vertretung der Gesellschaft allein durch die Geschäftsführung gewährleistet sein muss. Es muss demnach beim Vorliegen einer zulässigen unechten Gesamtvertretung dennoch immer zumindest ein Geschäftsführer entweder alleinvertretungsbefugt sein oder eine Gesamtgeschäftsführung vorliegen. Liegt diese Voraussetzung vor, können darüber hinaus verschiedenste Vertretungsmodelle gestaltet werden.