Der Sachverständigenbeweis im Bauprozess

Der Sachverständigenbeweis im Bauprozess

Dem Sachverständigen im Bauprozess kommt regelmäßig eine den Prozess entscheidende Bedeutung zu. Dies vor allem deshalb, weil im Bauprozess meist technisch komplexe, die allgemein anerkannten Regeln der Technik, den Stand der Technik oder Wissenschaft berücksichtigende Sachverhalte zu beurteilen sind und dem erkennenden Gericht regelmäßig die hierfür erforderliche Sachkunde fehlt. Der gerichtlich bestellte Sachverständige ist ein unabhängiges, zur Objektivität und Unparteilichkeit verpflichtetes Hilfsorgan des Gerichtes und als solches Teil der Rechtspflege. Der privat beauftragte Sachverständige hingegen erstattet sein Gutachten im Auftrag seiner Partei. Im Bauprozess dient das private Gutachten der „Vorbereitung“ des Prozesses.
Der Sachverständige hat, abgesehen von der reinen Beweissicherung, im Bauprozess im Regelfall sowohl Befund als auch Gutachten zu erstellen. Dabei bildet der Befund die Grundlage für die Schlussfolgerungen des Gutachtens. Stellt der Sachverständige im Rahmen des von ihm selbständig zu ermittelnden Sachverhaltes (z.B. Schadensbild durch Besichtigung des Bauvorhabens vor Ort) Tatsachen fest, so gelten hierfür die Regeln der Zivilprozessordnung über die Beweisaufnahme. Das bedeutet vor allem, dass – soweit dies möglich und auch tunlich ist – zur Wahrung des den Zivilprozess bestimmenden Unmittelbarkeitsgrundsatzes die Anwesenheit des (erkennenden) Richters und zur Wahrung des Parteiengehörs die Anwesenheit der Parteien bei den Ermittlungen des Sachverständigen gewährleistet sein muss. Wenn der Beweisaufnahme vor dem erkennenden Gericht erhebliche Schwierigkeiten entgegenstünden oder wenn sie einen unverhältnismäßig großen Aufwand verursachen würde, dann darf der Sachverständige Ermittlungen vornehmen, ohne den erkennenden Richter beizuziehen.
Ein Privatgutachten steht im Gegensatz zum gerichtlich beauftragten Gutachten nach der Rechtsprechung lediglich im Range einer Privaturkunde und beweist daher nur, welche Ansicht der Verfasser des privaten Gutachtens wiedergibt. Dennoch ist das Privatgutachten ein zur Aufklärung des Sachverhaltes geeignetes Beweismittel, dem insoweit besondere Bedeutung zukommt, als dass das erkennende Gericht verpflichtet ist, das durch das Privatgutachten belegte Parteivorbringen in jeder Hinsicht umfassend zu würdigen. Im Falle von widersprüchlichen Ergebnissen von Privatgutachten und gerichtlich beauftragten Gutachten judiziert der Oberste Gerichtshof, dass das erkennende Gericht diesfalls nicht verpflichtet sei, solche Widersprüche aufzuklären, sondern sich ohne weitere Erhebungen dem überzeugend erscheinenden Gutachten des gerichtlich beauftragten Sachverständigen anschließen könne. Wenngleich vor allem in Bauprozessen die schriftliche Sachverständigenbegutachtung den Regelfall darstellt, ist der Sachverständige auf Verlangen des Gerichtes und der Verfahrensparteien verpflichtet, über das schriftlich erstattete Gutachten mündliche Aufklärungen zu geben oder das Gutachten im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu erörtern. Die Parteien des Bauprozesses sind nicht verpflichtet, konkrete Fragen an den Sachverständigen zu richten, nach der Judikatur muss aber der Antrag auf Erörterung oder der Antrag auf Ergänzung des Gutachtens klar darlegen, welche Aufklärungen und Erläuterungen vom Sachverständigen im Rahmen der mündlichen Gutachtenserörterung vorzunehmen sein werden. In der Prozesspraxis empfiehlt sich daher, den Sachverständigen konkret mit allenfalls fehlenden Quellenangaben, mit undeutlichen oder unlogischen Ausführungen, unvollständigen Tatsachengrundlagen des Befundes sowie mit fachlich abweichenden und inhaltlich nicht nachvollziehbaren Ergebnissen zu konfrontieren.
Die Zivilprozessordnung sanktioniert ein Verfahren mit Nichtigkeit, wenn den Verfahrensparteien überhaupt keine Gelegenheit gegeben wurde, die Ladung des gerichtlich beauftragten Sachverständigen zur mündlichen Gutachtenserörterung zu beantragen.