Der dreifache Einheitswert einer Liegenschaft – zulässiges Kriterium im höchstgerichtlichen Rechtsschutz?

Der dreifache Einheitswert einer Liegenschaft – zulässiges Kriterium im höchstgerichtlichen Rechtsschutz?

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat wiederholt und in unterschiedlichen Zusammenhängen die Unsachlichkeit der Anknüpfung an den (dreifachen) Einheitswert von Liegenschaften als Bemessungsgrundlage ausgesprochen. Zuletzt hat der VfGH diese (ablehnende) Haltung im Erkenntnis vom 27.11.2012, AZ G77/12, im Verhältnis zur Grunderwerbssteuer ausgedrückt. Nach der aktuellen gesetzlichen Regelung ist demnach bei Liegenschaftstransaktionen ohne Gegenleistung – wie etwa Schenkungen außerhalb des gesetzlichen Familienkreises – nicht mehr der dreifache Einheitswert der Liegenschaft maßgeblich sondern der Verkehrswert. Neben spezifischen, verfassungsrechtlichen Argumenten wurde insbesondere ins Treffen geführt, dass es sich bei dem System der dreifachen Einheitswerte um eine überholte Methode handle, die die Wertentwicklung des Grundbesitzes in den letzten Jahren nicht berücksichtige. Die letzte Feststellung der Einheitswerte erfolgte zum 01.01.1988 und spiegle daher die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse von Liegenschaften nicht wieder.

Zuletzt wurde der VfGH mit den dreifachen Einheitswerten auf dem Gebiet des Zivilprozessrechtes konfrontiert – namentlich der Prüfung der Verfassungsgemäßheit von § 500 Abs. 3 ZPO. Hiebei handelt es sich um eine Bestimmung, die Kriterien für die Zulässigkeit einer Revision (=letztinstanzliches Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof) festlegt. Hier ist anzumerken, dass das österreichische Verfahrensrecht das System der Zulassungsrevision kennt. Das bedeutet, dass die Anrufung des Obersten Gerichtshofes nur in bestimmten Angelegenheiten vorgesehen ist. Die Fälle sind in § 502 ZPO abschließend aufgezählt sind. Gemäß § 502 Abs. 2 ZPO sind Streitigkeiten, in denen der Entscheidungsgegenstand einen Betrag von EUR 5.000,00 nicht übersteigt, von vornherein von der Zuständigkeit des OGH ausgeschlossen.

Ob die Voraussetzungen für eine Anrufung des OGH erfüllt sind, hat das Berufungsgericht gemäß § 500 ZPO in der schriftlichen Urteilsausfertigung im sogenannten Zulässigkeitsausspruch festzustellen. In Streitigkeiten betreffend Geldwerte erweist sich dieser Zulässigkeitsausspruch im Regelfall als unproblematisch, da die Höhe der geltend gemachten Forderung heranzuziehen ist. Diffiziler ist jedoch die Frage, wie bei der Bewertung der Zulässigkeit einer Revision in Rechtsstreitigkeiten über Liegenschaften, die nicht auf Geldforderungen gerichtet sind, vorzugehen ist (zum Beispiel bei einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Liegenschaftsgeschäftes).

Die Fragestellung wird von dem dem VfGH zur Prüfung vorgelegten § 500 Abs. 3 ZPO insofern geklärt, als dieser auf § 60 Abs. 2 JN verweist. Demnach ist bei der Bewertung des Streitgegenstandes, der nicht aus einer Geldforderung sondern einer unbeweglichen Sache besteht, auf die steuerrechtliche Bemessungsgrundlage –  ergo den (ungeliebten) dreifachen Einheitswert abzustellen.

Im Erkenntnis vom 29.11.2012, G78/12 hat der VfGH zu Recht erkannt, dass die Anwendung des dreifachen Einheitswertes bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Revision in einer Liegenschaftsstreitigkeit zu sachlich nicht gerechtfertigten Ergebnissen führt. Liegt zum Beispiel der Verkehrswert einer Liegenschaft über der maßgeblichen Grenze von EUR 5.000,00, nicht aber deren Einheitswert, ist aufgrund der Anordnung in § 500 Abs. 3 ZPO (Maßgeblichkeit des Einheitswertes) die Erhebung einer Revision ausgeschlossen. Dies bedeutet im Verhältnis zu Streitigkeiten um Fahrnisse mit einem Verkehrswert über EUR 5.000,00 oder entsprechende Geldbeträge, in denen die Erhebung einer Revision zulässig wäre, eine erhebliche und sachlich nicht gerechtfertigte Verkürzung der gesetzlichen Rechtsschutzmöglichkeiten.

Die Bestimmung des § 500 Abs. 3 ZPO wurde vom VfGH im vorerwähnten Erkenntnis dahingehend abgeändert, dass der vormals enthaltene Verweis auf § 60 Abs. 2 JN gelöscht wurde. Dies bedeutet, dass der steuerrechtlich relevante dreifache Einheitswert zwar weiterhin für die Bewertung des Streitgegenstandes maßgeblich ist – begrüßenswerter Weise aber nicht mehr als Zulassungsvoraussetzung für die Einlegung einer Revision.