Das Schadenersatzkonzept des BVergG 2006 – zivilrechtliche Folgen von Vergabeverstößen

Das Schadenersatzkonzept des BVergG 2006 – zivilrechtliche Folgen von Vergabeverstößen

Das öffentliche Beschaffungswesen stellt einen wesentlichen Wirtschaftsfaktor dar. Der Staat in seinen verschiedenen Ausformungen auf Bundes-, Landes-, und Gemeindeebene benötigt zur Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben Sachgüter und Dienstleistungen. Im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe tritt der Staat  als Nachfrager am Markt auf. Zum Besten für das Gemeinwohl wird der niedrigste Preis und der leistungsfähigste Bieter gesucht. Wettbewerb erfordert Teilnehmer und klare Regeln!

Vor dem Hintergrund, dass die Funktionsfähigkeit eines vergaberechtlichen Regelungssystems die Möglichkeit seiner Kontrolle notwendig macht, muss sich sowohl der nachfragende Staat als auch der um einen Auftrag werbenden Bieter an klar vorgegebene Verfahrensregeln halten, die ein faires und gleiches Vergabeverfahren sicherstellen. Vergabeverstöße des Staates als Auftraggeber können nicht nur zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen durch Vergabekontrollbehörden führen, sie können auch für den Auftraggeber und den erfolgreichen Mitbieter unangenehme Folgen zivilrechtlicher Art haben. So können rechtswidrig übergangene Bieter gegen den Auftraggeber Schadenersatzansprüche erheben, dies verbunden mit Unterlassungsansprüchen, welche sich auch gegen den erfolgreichen Mitbieter wegen Teilnahme am Vergabeverstoß des Auftraggebers richten können.

Das Rechtsschutzsystem des Bundesvergabegesetzes ruht auf zwei Säulen: Dem verwaltungsbehördlichen Präventivschutz, der bis zur Zuschlagserteilung besteht und von den Rechtschutzbehörden durch Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie durch Nichtig-Erklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers wahrgenommen wird, und dem Anspruch auf Schadenersatz, den nach Zuschlagserteilung der übergangene Bewerber, Bieter oder Bestbieter vor den Zivilgerichten geltend machen kann. Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen dem Bundesvergabeamt einerseits und den Vergabekontrollbehörden der Länder andererseits richtet sich danach, ob der Auftraggeber in den Vollziehungsbereich des Bundes und damit unter die Nachprüfungszuständigkeit des Bundesvergabeamtes oder in den Vollziehungsbereich der Länder und damit unter die Zuständigkeit der Vergabekontrollbehörde des jeweiligen Landes fällt. Ungeachtet dessen ist jedoch der Anspruch auf Schadenersatz jedenfalls vor einem Zivilgericht geltend zu machen. Weder das Bundesvergabeamt noch die Vergabekontrollbehörden der Länder entscheiden über Schadenersatzansprüche. Dennoch besteht eine enge Verknüpfung der verwaltungsbehördlichen Feststellungskompetenz mit der Schadenersatz-Entscheidungskompetenz des Gerichtes. Eine Schadenersatzklage vor dem Zivilgericht ist nur zulässig, wenn zuvor einen Feststellung des Bundesvergabeamtes bzw. der zuständigen Vergabebehörde erfolgt ist, dass wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz (oder einer hierzu ergangenen Verordnung) oder wegen eines Verstoßes gegen ein unmittelbar anwendbares europäisches Gemeinschaftsrecht der Zuschlag nicht gemäß den Ausschreibungsunterlagen dem Angebot mit dem niedrigsten Gebot oder dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde  bzw. dass das Vergabeverfahren als solches an einer Rechtswidrigkeit leidet. Ein positiver Feststellungsbescheid der Vergabekontrollbehörde ist sohin Prozessvoraussetzung für eine Schadenersatzklage vor dem Zivilgericht. Kann infolge Fristversäumung ein Feststellungsbescheid nicht mehr erwirkt werden, ist auch der Schadenersatz verloren.
An die spruchgemäße Feststellung der Vergabekontorollbehörde ist das Zivilgericht gebunden. Im Falle der Feststellung, dass der Zuschlag (rechtswidrigerweise) nicht dem Best- oder Billigstbieter erteilt wurde, stellt die Vergabekontrollbehörde jedoch nicht fest (und dürfte es auch nicht feststellen), wer Bestbieter war bzw. dass es der Antragsteller (und spätere Schadenersatzkläger) war.

Selbst wenn die Vergabekontrollbehörde feststellt, dass der Zuschlag in rechtswidrigerweise nicht dem Bestbieter erteilt wurde oder der Widerruf gesetzwidrig erfolgte, besteht dann kein Anspruch auf Schadenersatz, wenn – auf Antrag des Auftraggebers oder des ausgewählten Bestbieters – die Vergabekontrollbehörde feststellt, dass der Geschädigte auch bei Einhaltung des Bundesvergabegesetzes keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte. Ein Bieter hat dann keine echte Chance auf Zuschlagserteilung, wenn er offenkundig chancenlos gewesen wäre.

Ein Schadenersatzanspruch besteht auch dann nicht, wenn trotz festgestellter Rechtswidrigkeit und „echter Chance“ des Bieters auf Zuschlagserteilung der Geschädigte den Schaden durch Stellung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung sowie durch stellen eines Nachprüfungsantrages hätte abwenden können. Ob dies der Fall ist, hat jedoch das Zivilgericht im Schadenersatzprozess zu beurteilen.